Wenn ich momentan in den unendlichen Weiten des Internets unterwegs bin, verstehe ich die Welt nicht mehr. Als Geldanlagetrainer habe ich eine kaum noch zu messende Anzahl an Bankberatungen begleitet. Meistens mit Kunden, die jenseits der 50 Jahre alt waren. Zudem sehr sicherheitsorientiert und vor allem auf Sparprodukte fixiert. In Foren und Facebookgruppen lese ich jetzt immer nur noch „ETF hier“, „MSCI World und EM ETF dort“. Alles kommend von einer Zielgruppe, die nicht mehr den Weg in die Bank findet. Das erste Geld packt die informierte Jugend nun oft in aktienbasierte Fondslösungen, um möglichst mit 40 in Rente gehen zu können. Was hat uns diese Generation voraus frage ich mich da. Und gleichzeitig stellt sich mir die Frage: Sind ETFs für Einsteiger geeignet?
YouTube und Instagram als die ultimative Informationsquelle für Geldanlagen?
Über 260.000 Abonnenten zählt mittlerweile der YouTube-Kanal von Finanzfluss und ist damit die Nummer eins in Deutschland. Jede Woche gibt es neue Videos, in denen uns „Thomas von Finanzfluss“ nicht nur das Thema Geldanlage näherbringt. Mittlerweile werden auch zahlreiche andere Themen aus der Welt der Finanzen einfach und verständlich erläutert.
Bei Instagram tummeln sich unzählige (angehende) Influencer, um mit Finanzthemen zu punkten. Viele versuchen, unsere Aufmerksamkeit durch Kalendersprüche zum Thema Geldanlage zu bekommen. Andere listen auf, wie viele Dividenden welches amerikanische Unternehmen aktuell bezahlt. Manche erzählen einfach ohne jede Begründung, dass ETFs für Einsteiger geeignet seien. Viel posten bedeutet viel Aufmerksamkeit im Algorithmus, so der Irrglaube. Erfolg kommt durch guten Inhalt und hier hat vor allem YouTube als Plattform die Nase vorn. Einfach zu verstehende Videos, die uns das Thema Finanzen näherbringen. Wenn das gut gemacht ist, hat das auch einen großen Lerneffekt für uns.
Oft nur erster Anlaufpunkt
Doch nutzt die jüngste Generation der Geldanleger -also die Generation mit gerade einmal 14-25 Lenzen auf dem Buckel- diese Medien als Hauptinformationsquelle. Zumindest im ersten Schritt. Viel Inhalt verweist dann auf wirklich gute Finanzbücher. Einige der Neuanleger versacken allerdings im Videostrudel von YouTube und lassen sich möglicherweise Meinungen von zunächst einmal unbekannten Menschen aufzwingen. Nicht jeder YouTuber hat schon einmal eine Aktie selbst besessen, auch wenn er in seinem Kanal über Dividenden und ETFs philosophiert und diese auch für Einsteiger empfiehlt. Einige der Jungs und Mädels, die da zu uns sprechen, haben nicht einmal Zinsen am eigenen Leib erfahren dürfen. Diese wurden ja de facto abgeschafft und die Zeiten mit 6 Prozent auf dem Sparbuch durfte diese Generation nicht erleben.
Relativ schnell lässt sich aber herausfinden, ob da wirklich Substanz hinter dem Gesagten steckt. Einige YouTuber haben einen Bankhintergrund, bestimmte Blogger und Instagram-Influencer zumindest so viel Geld in der Vergangenheit verdient, dass sie es auch gewinnbringend anlegen konnten. Und somit aus eigener Erfahrung sprechen können.
ETFs als kostengünstige Alternative zu aktiv gemanagten Investmentfonds
Die Lösung, die ich immer wieder höre, lautet: „Spart in ETFs! Denn ETFs sind für Einsteiger geeignet!“ Und da ist in meiner Wahrnehmung eine richtige ETF-Sekte entstanden.
ETFs sind zunächst einmal börsengehandelte Investmentfonds, bei denen es keinen Fondsmanager gibt. Die Abkürzung steht dabei für „Exchange Traded Funds“ – übersetzt: „an der Börse gehandelter Fonds“. ETFs bilden einen Börsenindex wie beispielsweise den DeutschenAktienIndex (kurz: DAX) ab. Das bedeutet: Steigt der DAX um ein Prozent, steigt auch der ETF im besten Fall um ein Prozent, fällt der DAX um zwei Prozent, so tut dies der ETF ebenfalls. Der Unterschied zwischen der Indexbewegung und der des ETFs sollte lediglich darin liegen, dass der ETF noch Kosten vereinnahmt. Die sind aber mit 0,2 bis 0,5 Prozent derart niedrig, dass sie bei ertragreichen Anlagen wie ETFs auf Aktienindizes fast schon zu vernachlässigen sind.
Das ist auch der Grund, warum ETFs in Bankberatungen oft nur eine untergeordnete Rolle spielen: geringe Kosten bedeuten: von diesem Kuchen kann sich die Bank nix oder nur wenig an Provisionen abschneiden. Ergo: Die Empfehlungen im Rahmen einer gewöhnlichen Anlageberatung sind so selten zu finden, wie ein Wasserfall in der Wüste. Woran Du übrigens eine gute Anlageberatung erkennen kannst, erfährst du in diesem Artikel: „Gute Anlageberatung erkennen – 3 Merkmale, die du kennen solltest“.

Die Jugend hat verstanden
Aber gerade diese niedrigen Kosten sind es, die langfristig die Rendite pushen. Und das hat die neue Generation der Aktienanleger verstanden. Der Kostenfaktor ist nämlich der häufigste Grund, warum Geldanlagen nicht das gewünschte Ziel erreichen.
Wenn ich mir als Anleger also selbst die Arbeit mache und mir Finanzwissen aneigne, muss ich auch keine hohen Provisionen an die Bank zahlen. Denn eine Provision wie der Ausgabeaufschlag bei Investmentfonds ist nichts anderes als eine Beratungsgebühr. Benötige ich keine Beratung, muss ich auch keine Beratungsgebühr zahlen.
Aber die Jugend hat noch etwas verstanden. Nämlich, dass ETFs für Einsteiger geeignet sein können. Als 20-jähriger habe ich etwas, was unfassbar wertvoll bei einer Geldanlage ist: viel Zeit! Zeit ist aus meiner Sicht der größte Erfolgsfaktor bei einer guten Geldanlage.
Zeit als Erfolgsfaktor
Bei Anlagen im DAX gab es in der Vergangenheit keinen 15-Jahres-Zeitraum, in dem ein Anleger mit einem Verlust investiert hätte. Selbst zum dümmsten Zeitpunkt gekauft und 15 Jahre später wieder zum dümmsten Zeitpunkt verkauft hätte noch einen kleinen positiven Ertrag bedeutet.
Durchschnittlich 6-8 Prozent Rendite waren langfristig immer drin. Das mag bei einzelnen Aktien anders sein. Aber mit einem ETF kann ich ja gerade den gesamten Index abbilden – und diese Streuung macht das Instrument so wertvoll. Junge Anleger kombinieren also die Ertragschancen des Aktienmarktes, für dessen Bewegungen sie ausreichend Zeit mitbringen. Sind aber dann wieder so sicherheitsorientiert, dass sie die Anlagen breit streuen und in ETFs investieren. Bei einem DAX-ETF investiere ich als Anleger in 30 deutsche Aktien. Im MSCI World sogar in 1.600 verschiedene, weltweite Unternehmensbeteiligungen. Denn nichts anderes sind Aktien, die viele Mitglieder der etwas älteren Generation als Spekulationsobjekte verteufeln.
Aktien sind auch Spekulationen. Allerdings nur, wenn ich als Anleger wenig Zeit und Geduld mitbringe. Je länger ich Zeit habe, umso einfacher kann ich mit den zwischenzeitlichen Bewegungen umgehen. Die hohe Rendite entlohnt mich am Ende dafür, dass ich Unternehmensbeteiligungen als Teil meiner Anlagestrategie gesehen habe. Denn nur so habe ich die Chance, Werterhalt bei meinem Vermögen zu erreichen.
Gefahren dadurch, dass Einsteiger ETFs als geeignet ansehen
Problematisch wird es, wenn ETFs zur Religion und ohne eigenes Nachdenken von Influencern übernommen werden. Dann fange ich vielleicht an und lege jeden Cent meines Geldes in einen ETF auf Aktien an, ohne dabei wichtige andere Bausteine meines (zukünftigen) Vermögens aufzubauen:
ETFs nicht für den Notgroschen geeignet
Jeder Anleger braucht einen Notgroschen für die Dinge, die in den kommenden beiden Jahren anstehen könnten. Jeder Geldanleger sollte sich auch schon einmal mit Anleihen und Immobilienanlagen beschäftigt haben, weil sie die solide Basis einer Geldanlage bilden können. Möglich schon mit kleinen monatlichen Beträgen, mit denen ich solche Lösungen besparen kann. Auf diese Alternativen wird zwar in dem ein oder anderen Video oder Post hingewiesen. Allerdings muss da sichergestellt sein, dass ich auch gerade dieses Video oder genau diesen Post konsumiert habe. Und zwar, bevor ich alle meine Ersparnisse in einen ETF stecke.
Enorme Kursbewegungen liegen hinter UND vor uns
ETFs bilden in der Regel Aktienindizes ab und unterliegen den damit verbundenen, teils heftigen Bewegungen. Ganz extrem konnten wir diese 2008/2009 und natürlich jüngst in der Coronakrise erleben. Ersteres ist schon lange her und für viele vergessen. Da war es mal ganz gut, dass uns Corona mal etwas wachgerüttelt hat. Und manche der ETF-Jünger haben die dollen Tage der Finanzkrise gar nicht miterlebt und haben in 2020 erstmals Erfahrungen mit fallenden Kursen machen müssen.
ETFs wird zudem nachgesagt, dass sie Bewegungen verstärken, die beispielsweise am Aktienmarkt vorkommen. Das wird aktuell intensiv untersucht und je nach Intention der Untersuchenden fällt das Ergebnis mal so und mal so aus. Mal sind ETFs das böse Etwas, dass komplex und absolut ungeeignet für Privatanleger ist. Diese Argumentation könnte aus der Ecke der Bank-Filialvertriebe kommen. Mal sind ETFs das Allheilmittel, um bereits mit 40 in Rente gehen zu können. Das lässt sich natürlich gut verkaufen, wenn man sich anschaut, wie oft der Begriff „früher in Rente“ bei Google eingegeben wird.
Fazit: Sind ETFs für Einsteiger geeignet?
Die abschließende Antwort, ob ETFs für Einsteiger geeignet sind, lautet: grundsätzlich ja. Zumindest, wenn wir uns angemessen über die Chancen und Risiken informieren und mit kleinen monatlichen Beträgen anfangen. Gerade die jüngere Generation ist nicht mehr bereit, für jede Qualität von Anlageberatung hohe Gebühren zu zahlen. Sie hat zudem verstanden, dass wir mit frühzeitigem Vermögensaufbau richtig was aus unserem Leben machen können. Vielleicht sollten wir daher mal mehr informierte 20-jähige mit 50-jährigen Tagesgeldsparern zusammenbringen und die beiden Gruppen über eine gute Geldanlage diskutieren lassen. Ich denke, das wäre für alle Seiten sehr befruchtend.